An was denken Sie beim „Geschmack der Kindheit“?

Ich erinnere mich daran, wie ein Ei aus dem Hühnerstall der Nachbarn schmeckt. Brot frisch aus dem Holzofen. Kaffee aus der Rösterei.

Einkaufen mit Oma in der 50er Jahren

Als Kind war es für mich immer ein Erlebnis am Samstag mit meiner Großmutter auf den Markt gehen zu können. Hier wurde nur gekauft, was der eigene Gemüsegarten nicht hergab, also Eier und Brot. Dann ging es weiter zum besten Metzger der Stadt. Oma nahm von dort den Schweinebraten, das Bratwürstchen für mich und gekochten Schinken mit. Dieser Schinken hatte in der Mitte einen helleren Fleck. Ich sagte: „Das ist das Herzchen.“ Und genau dieses Stück wollte ich immer essen. Zum Schluss gingen wir dann noch in die Kaffeerösterei. Hier ließ sich meine Oma immer ihre ganz persönliche Mischung herstellen. Noch heute ist mir der Duft dieser Rösterei präsent. Damals zog dieser Duft durch die ganze Straße. Heute kaum vorstellbar.

Heute: Auf der Suche nach dem Geschmackserlebnis von früher

Bei meinem  Einkauf heutzutage, versuche ich immer Lebensmittel zu finden, die dieses Geschmackerlebnis von früher hervorrufen.

Auf einem gutbestückten Bauernmarkt kann man immer noch viele dieser Lebensmittel finden, die früher überall üblich waren: vom Bauern frisch geerntetes Gemüse, Eier von Hühnern, die artgerecht und ohne Zusatzfuttermittel gefüttert werden. Wenn ich auf dem Markt bin, denke ich immer an den Einkauf mit meiner Großmutter auf dem Markt meiner Kindheit.

Geschmack der Kindheit im Heftformat

Wie sehr mich diese Geschmäcker beeindruckt haben, zeigt die Tatsache, dass ich als junge Mutter anfing Rezepte von Gerichten, die mich nachhaltig beeindruckt haben, in einem kleinen Heftchen zu sammeln. Sie stammen von meiner Großmutter, Schwiegermutter, Nachbarn und Bekannten.

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Quarkkuchen-Rezept der älteren Nachbarin, 1988

Noch heute schlage ich darin nach, wenn meine Kinder nach einem bestimmten Rezept fragen. Ich finde es wichtig, diesen Geschmack an die nächste Generation weiter zu geben. Gerade in der heutigen Zeit, wo die meisten jungen Eltern, unter der Doppel-Belastung von Vollzeitbeschäftigung und Familienleben, oft auf die schnelle Küche zurück greifen, sehe ich es als meine Aufgabe an, meine Enkelkinder beim Kochen einzubeziehen. Es macht ihnen sehr großen Spass. Und damit habe nicht nur ich selbst eigentlich die Rolle meiner eigenen Großmutter früher eingenommen, sondern gebe auch der Kindheit meiner Enkel einen besonderen Geschmack.

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Dieses Rezept ist von meiner Großmutter.Ich habe es 1972 aufgeschrieben.